Donnerstag, 28. Februar 2013

Bahnwärter Thiel



Ich habe gerade eben die 43 Seiten von Gerhart Hauptmanns Novelle „Bahnwärter Thiel“ gelesen. Ein schweres Gewitter dunkler Gefühle, das doch so plötzlich abgezogen ist und nun diesen seltsamen Himmel hinterlassen hat. Den, dem man so ungern trauen mag. Aber man ist doch erleichtert, dass die Wolken zerrissen wurden und sich die Dinge „geklärt“ haben.
Ist das so?

Vielleicht zu erst eine kleine Inhaltsangabe:
Der Bahnwärter Thiel, der unglücklicherweise seine Frau und auch Mutter seines ersten Sohnes verloren hat, heiratet aus unerklärlichen Gründen kurz darauf wieder, ein herrschsüchtiges, aggressives, herzloses „Weib“.
Er lässt sich und seinen kleinen Sohn, ohne eine Miene zu verziehen, von der neuen Frau tyrannisieren und gibt ein trauriges Bild einer Figur ab, deren Nicht-Handlung die innere Wut auf die Spitze treibt.







Der Vergleich der Novelle mit einem Gewitter liegt nahe, nicht nur, weil Gerhart Hauptmann die Naturgewalt auch in der kurzen Geschichte „in echt“ auftreten lässt.
Von einer komischen Anfangsepisode lädt sich die Stimmung auf, bis sie die natürlichen Grenzen des Ertragens erreicht. Schuld ist der Bahnwärter Thiel, der zu sehr duldet und dem man letztendlich auch das schwere, dunkle Gewitter in die Schuhe schieben kann. Hätte das sein müssen? Frag' ich mich mehrmals.

Die Auflösung, die Klärung, die alles ins Gleichgewicht bringt, nicht ohne Opfer aufzubringen, hinterlässt den Leser mit einem seltsamen Gefühl. Man ist glücklich, dass es vorbei ist.

Das „Gewitter“, das die vermeintliche Klärung bringt, findet aber nicht zeitgleich mit dem in der Geschichte beschriebenen Gewitter statt.
Für mich ein Zeichen dafür, dass die „Entladung“ früher stattfinden müsste, wenn es natürlich, nicht so dramatisch ablaufen sollte und ohne die Ereignisse auf die Spitze zu treiben.

Aber selbst Schuld, Bahnwärter Thiel.

1 Kommentar:

  1. Hat er wieder geheiratet, um Halt zu finden nach diesem schweren Verlust? Und da war es ihm wohl egal, wer ihm diesen Halt gibt. Vielmehr ist es nur logisch, dass das jemand ist, der dominant, ja, herrisch ist. Die "Unterwerfung" scheint mir da zwangsläufig. Nein, Thiel hat keine Schuld. Er glaubte zutiefst, er hätte Schuld am Tod seiner ersten Frau und, weil er sie liebte, Schuld an der Welt. Aber so ist es nicht, und er wusste es nicht. Er verdient unser Mitgefühl. Meines hat er.

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