Ich
habe gerade eben die 43 Seiten von Gerhart Hauptmanns Novelle
„Bahnwärter Thiel“ gelesen. Ein schweres Gewitter dunkler
Gefühle, das doch so plötzlich abgezogen ist und nun diesen
seltsamen Himmel hinterlassen hat. Den, dem man so ungern trauen mag.
Aber man ist doch erleichtert, dass die Wolken zerrissen wurden und
sich die Dinge „geklärt“ haben.
Ist
das so?
Der
Bahnwärter Thiel, der unglücklicherweise seine Frau und auch Mutter
seines ersten Sohnes verloren hat, heiratet aus unerklärlichen
Gründen kurz darauf wieder, ein herrschsüchtiges, aggressives,
herzloses „Weib“.
Er
lässt sich und seinen kleinen Sohn, ohne eine Miene zu verziehen,
von der neuen Frau tyrannisieren und gibt ein trauriges Bild einer
Figur ab, deren Nicht-Handlung die innere Wut auf die Spitze treibt.
Der Vergleich der Novelle mit einem Gewitter liegt nahe, nicht nur, weil Gerhart Hauptmann die Naturgewalt auch in der kurzen Geschichte „in echt“ auftreten lässt.
Von
einer komischen Anfangsepisode lädt sich die Stimmung auf, bis sie
die natürlichen Grenzen des Ertragens erreicht. Schuld ist der
Bahnwärter Thiel, der zu sehr duldet und dem man letztendlich auch
das schwere, dunkle Gewitter in die Schuhe schieben kann. Hätte das
sein müssen? Frag' ich mich mehrmals.
Die
Auflösung, die Klärung, die alles ins Gleichgewicht bringt, nicht
ohne Opfer aufzubringen, hinterlässt den Leser mit einem seltsamen
Gefühl. Man ist glücklich, dass es vorbei ist.
Das
„Gewitter“, das die vermeintliche Klärung bringt, findet aber
nicht zeitgleich mit dem in der Geschichte beschriebenen Gewitter
statt.
Für
mich ein Zeichen dafür, dass die „Entladung“ früher stattfinden
müsste, wenn es natürlich, nicht so dramatisch ablaufen sollte und
ohne die Ereignisse auf die Spitze zu treiben.
Aber
selbst Schuld, Bahnwärter Thiel.